
BUSINESS TALK
Klassische oder emergente Strategie
In der traditionellen Welt war Strategieentwicklung ein streng geordneter und planbarer Prozess:
Nach einer umfassenden SWOT-Analyse folgten die Festlegung von Vision und Mission, die Ableitung von messbaren 5-Jahres-Zielen sowie die detaillierte Erstellung eines Massnahmenplans mit Verantwortlichkeiten und Terminen.
Dieses klassische Vorgehen funktionierte, solange Märkte stabil waren und Veränderungen langsam und vorhersehbar eintraten.
Klassische Strategieentwicklung – ein Auslaufmodell?
Heute sieht die Realität jedoch anders aus:
Wir leben in einer BANI-Welt – einer Welt, die brüchig (Brittle), ängstlich (Anxious), nichtlinear (Nonlinear) und unverständlich (Incomprehensible) ist. Märkte, Technologien und gesellschaftliche Rahmenbedingungen verändern sich in rasanter Geschwindigkeit und oft ohne erkennbare Logik.
Zentrale Herausforderungen:
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Feste Pläne werden schneller überholt als sie umgesetzt werden können
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Lineare Ursache-Wirkungs-Ketten verlieren ihre Gültigkeit
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Kontrolle wird zur Illusion
Emergent Strategy –
Strategie wird zum Lernprozess
Im Gegensatz zur klassischen Planung setzt emergente Strategie auf kontinuierliches Lernen und Anpassen. Der Prozess beginnt mit einer klaren Ausrichtung: einem eindeutigen Purpose und definierten Werten als Orientierungspunkt. Statt langfristige Massnahmenpakete zu schnüren, arbeiten Unternehmen mit:
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kleinen Schritten
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schnellen Experimenten
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konsequenter Beobachtung und Analyse von Ergebnissen
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und laufender Anpassung an neue Erkenntnisse
Praxisbeispiel:
Ein Unternehmen entwickelt nicht jahrelang hinter verschlossenen Türen ein neues Produkt. Stattdessen werden frühzeitig Prototypen gebaut und am Markt getestet. Die Kundenreaktionen fliessen direkt in die Weiterentwicklung ein. So entsteht eine Strategie, die organisch aus realen Erfahrungen wächst. Das Ziel ist, die Zukunft proaktiv und flexibel mitzugestalten und nicht möglichst genau vorherzusagen.
Man plant nicht gegen die Unsicherheit – man plant mit der Unsicherheit.
Michael Achermann

Kombination: Klassische und emergente Strategie – Das Beste aus beiden Welten
Weder reines Planen noch reines Improvisieren reichen heute aus. Die Zukunft gehört hybriden Ansätzen, die Struktur mit Flexibilität intelligent verbinden.
Wie sieht das in der Praxis aus?
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Die Geschäftsleitung setzt einen klaren Rahmen: Vision, Purpose, strategische Leitplanken und Prinzipien werden top-down definiert
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Innerhalb dieses Rahmens entstehen emergente Initiativen: Teams entwickeln in kurzen Zyklen Ideen, testen Prototypen und passen sich flexibel an Marktveränderungen an
Das bedeutet:
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Strategische Ziele bleiben als Leitstern bestehen
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Der Weg dorthin wird dezentral und dynamisch gestaltet
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Frühindikatoren und kontinuierliches Feedback werden genutzt, um Strategien permanent zu justieren
Praxisbeispiel:
Ein Unternehmen definiert als strategisches Ziel:
„Wir wollen Marktführer für nachhaltige Energieprodukte im KMU-Segment werden.“
Anstatt sofort umfassende Produktlinien und starre 5-Jahres-Pläne festzulegen, wird ein anderer Weg gewählt:
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Teams erhalten die Freiheit, neue Geschäftsmodelle zu testen
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Kundenbedürfnisse werden explorativ erforscht
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Agile Produktentwicklung wird durch gezielte Experimente und Pilotprojekte unterstützt
Die dabei gewonnenen Erkenntnisse fliessen direkt in die strategische Weiterentwicklung ein – schnell, praxisnah und anpassungsfähig.
In der BANI-Welt gewinnt nicht derjenige, der den besten Plan hat. Gewinnen wird, wer am schnellsten lernt, anpasst und neu denkt.
Weiterführende Literatur & Quellen
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How to Succeed in an Era of Volatility – Invest in prediction, adaptability, and resilience ↗
Harvard Business Review, März/April 2024 -
Human Responses to a BANI World ↗
Medium, Oktober 2022